Ob ein Preis angemessen ist oder nicht, liegt häufig im Auge des Betrachters. Während sich Konsument/innen über billige Produkte freuen, gilt das für die Menschen, die diese Produkte herstellen – egal ob es sich dabei um Textilien, elektronische Geräte oder Lebensmittel handelt - wohl weniger.
Immer mehr Konsument/innen lehnen die mit der (häufig globalen) Produktion unserer Konsumgüter verbundenen problematischen Arbeitsbedingungen und Umweltbelastungen ab und achten beim Einkauf auf soziale und ökologische Kriterien.
Auch bei den Lebensmitteln hinterfragen Konsument/innen zunehmend den „Hauptsache billig“-Konsumansatz und greifen zu den oft teureren, aber nachhaltigeren Bioprodukten. Doch wieso kosten nachhaltig produzierte Biolebensmittel mehr?
Wenn es darum geht die Preise von Biolebensmitteln mit denen herkömmlicher Lebensmittel zu vergleichen, sind Preisvergleiche zwischen Bio- und Billigmarken der falsche Ansatz. Wenn man die Preise von Biolebensmitteln denen konventioneller Premium-Marken gegenüberstellt, fallen etwaige Preisunterschiede nämlich deutlich geringer aus.
Der Mehrpreis von Biolebensmitteln ist je nach Produktgruppe unterschiedlich hoch und manchmal auch vernachlässigbar gering. Bedingt wird er unter anderem durch: höhere Produktionskosten aufgrund arbeits- und platzaufwändigerer Verfahren im biologischen Pflanzenbau und in der Bio-Tierhaltung, häufig geringere Erträge, Einsatz von deutlich weniger Zusatz- und Hilfsstoffen in der biologischen Lebensmittelverarbeitung und damit verbundene oft zeit- und kostenintensivere Verarbeitung, meist geringere Verarbeitungsmengen und dadurch höhere Stückkosten sowie durch die Kosten für die umfassende und lückenlose Kontrolle der Bio-Richtlinien, die sich auch im Preis von Bioprodukten wiederfinden.
Eine Studie des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) zeigt, dass nachhaltig und gesund essen aber durchaus leistbar ist: In dieser Studie wurde der Wocheneinkauf (65 Produkte) für eine vierköpfige Familie berechnet und nach verschiedenen Einkaufsvarianten verglichen. Angenommen wurde, dass ein durchschnittlicher Lebensmitteleinkauf pro Woche 119 Euro kostet, eine Vergleichsvariante der billigsten Produkte, etwa vom Diskonter, sich auf 89 Euro beläuft. Der ausschließliche Einkauf von Bioprodukten ergab einen Warenkorb für 165 Euro. Soweit die „IST-Varianten“.
Mit einem Umstieg auf die „SOLL-Variante“, also auf einen gesünderen Warenkorb mit weniger Fleisch, mehr Obst und Gemüse, weniger Softdrinks, … zeigt sich ein anderes Bild. Diese Änderung der Ernährungs- und Einkaufsgewohnheiten macht es laut Berechnungen möglich, den Großteil der Lebensmittel (knapp 70 % des Warenkorbs) in Bioqualität zu kaufen, ohne dafür mehr bezahlen zu müssen. Selbst in der kostengünstigsten Variante (Warenkorb vom Diskonter um 89 Euro) sei mit einem gesünderen Warenkorb immer noch knapp ein Drittel Bio möglich. Der Umstieg von einem durchschnittlichen Wocheneinkauf aus Markenprodukten (119 Euro) auf eine gesündere (weniger Fleisch, mehr Obst und Gemüse, …) Bio-Variante kostet laut der Modellrechnung um zwölf Euro (etwa 10 %) mehr (131 Euro).
Ein weiteres zentrales Fazit: Der gesündere Einkauf der SOLL-Variante (weniger Fleisch, mehr Obst und Gemüse, weniger Softdrinks, …) ist nicht der teurere, wie man vielleicht annehmen könnte. Sogar in der billigsten Kategorie kostet die Soll-Variante um 20 Euro pro Woche weniger als die Ist-Variante. Entgegen den Empfehlungen von Ernährungsexpert/innen kaufen Österreicher/innen im Schnitt dreimal so viel Fleisch wie empfohlen, zu viele Fertigprodukte und zu viele Softdrinks – das ist nicht nur ungesund, sondern, wie man sieht, auch relativ teuer.
Ein weiterer Effekt des Umstiegs auf nicht nur gesünder, sondern auch Bio ist der, dass die vierköpfige Modellfamilie mit dem wöchentlichen Durchschnittseinkauf etwa 40 % der „ernährungsbedingten Treibhausgase“ einsparen kann (Der Großteil dieser Einsparungen geht auf den gesunden Warenkorb zurück, der deutlich weniger Fleisch und Fleischprodukte enthält).
Wer billig kauft, kauft teuer
Heute entfallen rund 11 % der Konsumausgaben auf den Einkauf von Lebensmitteln. Lebensmittel sind heutzutage also so billig wie noch nie – häufig auf Kosten der Umwelt, der Gesundheit und der Landwirt/innen.
Hinzu kommt, dass die scheinbar so billigen Lebensmittel auch uns finanziell teuer zu stehen kommen. Schuld daran sind die sogenannten externen Kosten, die durch negative Auswirkungen der (intensiven) landwirtschaftlichen Produktion entstehen. Bei den sogenannten externen Kosten handelt es sich unter anderem um Reparaturmaßnahmen, die z. B. für die Aufbereitung von nitrat- und pestizidbelastetem Trinkwasser nötig werden und von der Gesellschaft getragen werden müssen.
Es fallen aber auch monetär nur schwer messbare Faktoren darunter, wie mit dem Einsatz von Pestiziden verbundene Gesundheitskosten oder Kosten, die durch den Verlust von Bestäubern, der Biodiversität oder durch den von der Landwirtschaft mitverursachten Klimawandel entstehen. Laut unterschiedlicher Berechnungsmodelle gehen die externen Kosten jährlich in Milliardenhöhe. Bisher fließen diese gesellschaftlichen Kosten, wenn überhaupt, nur unzureichend in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung ein.
Das Verursacherprinzip (polluter pays principle der UN), welches davon ausgeht, dass entstehende Kosten von demjenigen zu tragen sind, der sie verursacht, wird bisher – vorsichtig ausgedrückt – nicht konsequent angewendet. Das heißt, dass die mit der intensiven Lebensmittelproduktion verbundenen externen Kosten nicht von den eigentlichen Verursachern, sondern von uns allen getragen werden müssen.
Eine Studie des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) beleuchtete die Kosten, die in Österreich durch die Landwirtschaft entstehen. Selbst bei einer konservativen Schätzung verursacht die Landwirtschaft in Österreich Schäden in Höhe von mindestens 1,3 Milliarden Euro pro Jahr. Bei den errechneten Kosten handelt es sich unter anderem um Reparaturmaßnahmen, die z.B. durch die Aufbereitung von nitrat- und pestizidkontaminiertes Trinkwasser entstehen und von der Gesellschaft getragen werden müssen.
Die wahren Kosten dürften aber weitaus höher liegen, da in der Studie verschiedene, monetär nur schwer messbare Faktoren wie z. B. durch den Verlust von Bestäubern entstehende Kosten oder die ideellen Werte von Schutzgütern (z.B. hinsichtlich Biodiversität) nicht erhoben wurden. Zudem wurden nicht die vollständigen Reparaturkosten ermittelt, sondern nur die Belastungen, die entstehen, um gesetzliche Grenzwerte zu erreichen. Die errechneten Zahlen stellen daher nur einen Bruchteil der tatsächlichen externen landwirtschaftlichen Kosten dar. Durch eine Umstellung Österreichs auf 100 % Biolandbau würden die errechneten Kosten um mindestens ein Drittel sinken und es könnten laut Berechnungen 425 Mio. € eingespart werden.
Klarerweise erbringt die österreichische Landwirtschaft neben der Produktion von Nahrungsmitteln und nachwachsenden Rohstoffen auch eine Reihe nicht marktfähiger Leistungen, die bei volkswirtschaftlicher Betrachtung der Landwirtschaft derzeit allerdings auch nicht berücksichtigt werden. Dazu zählen z.B. Ökosystemleistungen wie Humusaufbau oder Nützlingsförderung, die Landschaftspflege sowie soziale Aspekte wie die Schaffung von Arbeitsplätzen oder die Erhöhung der regionalen Identität im ländlichen Raum.
Um das Verursacherprinzip zu forcieren und das Potential der biologischen Landwirtschaft zur volkswirtschaftlichen Kosteneinsparung voll nutzen zu können, schlagen die Autoren auch konkrete Maßnahmen wie die Einführung einer Stickstoff-, Energie- und Pestizidsteuer sowie die Schaffung von Rahmenbedingungen, die die Innovationskraft des Biolandbaus in Praxis, Beratung und Forschung unterstützen und anerkennen, vor.
Auch ein deutsches Forscherteam der Universität Augsburg hat die externen Kosten, die durch drei maßgebliche Umweltbelastungen entstehen, für Deutschland unter die Lupe genommen: Stickstoffdüngung, Treibhausgasemissionen und Energieverbrauch. Es zeigt sich, dass die externen Folgekosten tierischer Lebensmittel (unabhängig ob Bio oder herkömmlich) höher sind, als die pflanzlicher Lebensmittel. Die deutlich höchsten externen Kosten verursachen nach diesen Berechnungen tierische Lebensmittel aus herkömmlicher Produktion. Im Vergleich herkömmlicher mit biologischer Produktion führen vor allem der Verzicht auf mineralischen Stickstoffdünger beim Pflanzenanbau sowie ein geringerer Einsatz von industriell produziertem Kraftfutter bei der Nutztierhaltung in allen untersuchten Lebensmittelkategorien zu geringeren externen Kosten für biologische Produkte.
Die Autoren gehen allerdings davon aus, dass die tatsächliche Preisdifferenz erheblich größer ist. Denn die Datenlage zu weiteren Umweltfolgen, wie beispielsweise den gesellschaftlich-sozialen Auswirkungen von Antibiotikaresistenzen oder den ökologischen Auswirkungen durch den Einsatz von Pestiziden, ist unzureichend, sodass in der Studie keine Aussage darüber getroffen werden konnten.
Ein weiterer schwer einschätzbarer, aber ganz wesentlicher ökonomischer Wert liegt in der Bestäubungsleistung von Insekten. Da über 80 % der heimischen Nutz- und Wildpflanzen auf Insektenbestäubung angewiesen sind, bildet diese Bestäubungsleistung nicht nur die Basis der agrarischen Produktion und Ernährungssicherheit, sondern spielt auch eine wesentliche ökonomische Rolle. In verschiedenen Studien wurde in den letzten Jahren der Versuch unternommen, den monetären Nutzen der Bestäubungsleistung zu schätzen, der sich durch den Rückgang der biologischen Vielfalt vermindert. Der wirtschaftliche Wert der Bestäuberleistung in der Landwirtschaft wird dabei weltweit auf zumindest 150 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.
Der Versuch, externe Kosten darzustellen und zu berücksichtigen, ist ein wichtiger Schritt in Richtung Kostenwahrheit und zeigt die Differenz zwischen aktuellen Marktpreisen und den tatsächlichen Preisen auf.
Die Schwierigkeit einer umfassenden Darstellung liegt allerdings in der Komplexität der Entstehung und Auswirkungen dieser Folgekosten. Bei der Analyse von externen Kosten wird in den verschiedenen Studien der Fokus auf unterschiedliche Einzelbereiche gelegt. Der interdisziplinäre Charakter, komplexe Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge und die Schwierigkeit verschiedene Leistungen monetär zu beziffern - auch deshalb weil die damit verbundenen Folgen in der Zukunft liegen (Klimawandel, Verlust der Biodiversität) - machen eine umfassende Gesamtübersicht über alle, mit der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion verbundenen externen Kosten kaum möglich. Das Gleiche gilt für die durch die Landwirtschaft erbrachten Leistungen.
Die agrarökonomische Forschung hat deshalb zahlreiche indirekte Methoden und Ansätze entwickelt, um den Nutzen bzw. die Kosten zu bestimmen. Aufgrund unterschiedlicher methodischer Herangehensweisen der verwendeten Literatur bleibt es daher eine Herausforderung, die Ergebnisse miteinander zu vergleichen. Trotz der komplexen Zusammenhänge und der damit verbundenen Herausforderungen zeigen die Ergebnisse, dass der Erbringung gesellschaftlicher Leistungen durch die Landwirtschaft im Allgemeinen und des biologischen Landbaus im Besonderen ein erheblicher Wert und damit eine große ökonomische Bedeutung zuzuschreiben ist. Eine Reduktion der durch die Landwirtschaft verursachten Umweltbelastung trägt hingegen zu einer Reduktion der externen Kosten bei.
Verschiedene Studienergebnisse kommen daher zu dem Schluss, dass die Biolandwirtschaft nicht nur die ökologischen Folgekosten und damit auch die Kosten für die Gesellschaft reduziert, sondern gleichzeitig als nachhaltige und zukunftsfähige Form der Nahrungsmittelproduktion den gesellschaftlichen Nutzen erhöht und Lebensmittel garantiert, die ihren Preis wert sind.
Weiterführende Quellen
Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit FiBL entstanden, einer der weltweit führenden unabhängigen Forschungseinrichtungen für biologische Landwirtschaft. Alle Quellen haben wir hier gesammelt:
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Gallai, N., Salles, J. M., Settele, J. & Vaissiere, B. E. (2009): Economic valuation of the vulnerability of world agriculture confronted with pollinator decline. Ecological Economy, 68, 810-821.
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Michalke, A. (2019): How much is the dish? – Was kosten uns Lebensmittel wirklich? 15. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau
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Poore, J. und Nemecek, T. (2018): Reducing food‘s environmental impacts through producers and consumers. Science 360 (6392): 987–992.
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