Foto von einem Traktor, der übers Feld fährt und Ackergifte spritzt. | © SONNENTOR

Schutz unserer Bio-Felder vor Abdrift

Pestizide machen auch vor benachbarten Bio-Flächen nicht halt. So schützen wir unsere Bio-Kräuter und damit auch die Existenz unserer Bauern.

Biolebensmittel werden ohne den Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel produziert. Das erwarten sich Konsument/innen und das garantieren die Bio-Richtlinien und –Kontrollen. Doch da die biologische Landwirtschaft nicht unter einer Glasglocke stattfindet, werden Rückstände von chemisch-synthetischen Pestiziden in seltenen Fällen auch in Biolebensmitteln gefunden. Diese Rückstände im Spurenbereich sind oft die Folge einer Abdrift von Pestiziden, also von Sprühnebel, der von konventionell bewirtschafteten (Nachbar)Flächen auf die Bio-Felder gelangt. Vor allem in der kleinstrukturierten Landwirtschaft stellt die Abdrift Biobetriebe vor große Herausforderungen.

Schwarz-weiß Foto von Bäuerin Helga. | © SONNENTOR

Pestizide auf Abwegen

In der biologischen Landwirtschaft setzen der Biobauer/die Biobäuerin in Sachen Pflanzenschutz auf vorbeugende Maßnahmen. Standortangepasste Sorten, ausgewogene Fruchtfolgen, angepasste Bodenbearbeitung, organische Düngung mit Mist und Kompost, die Förderung von Nützlingen und mechanische Beikrautregulierung sind einige der Maßnahmen, die auf Biobetrieben dafür sorgen, den Krankheits- und Schädlingsdruck zu reduzieren.

Wenn nun von benachbarten, konventionell bewirtschafteten Feldern chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel auf die Bio-Felder „abdriften“, hat das für die biologisch wirtschaftenden Betriebe erhebliche Konsequenzen.

Abgesehen von den damit verbundenen ökologischen Auswirkungen sind Biobauern und –bäuerinnen von der Pestizidabdrift insofern besonders betroffen, als dass sie ihre Produkte dann nicht mehr entsprechend vermarkten können - schließlich ist der Verzicht auf und die Abwesenheit von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln ein wesentliches Qualitätsmerkmal aller Biolebensmittel.

Werden auch nur geringste Mengen von Pflanzenschutzmitteln im Bioprodukt gefunden, kann dies also schwerwiegende Konsequenzen für die betroffenen Biobauern haben und die Vermarktungsfähigkeit der Bioprodukte gefährden. Ein Biobauer/eine Biobäuerin, der/die auf einer Parzelle eine Abdrift von Pestiziden feststellt, muss daher unverzüglich die Kontrollstelle informieren und mögliche Abdriftschäden ausführlich dokumentieren. Wenn die Abdrift erst bei der Biokontrolle festgestellt wird, ohne vorangegangene Meldung durch den Biolandwirt, riskiert er strenge Sanktionen, obwohl die Abdrift nicht in seiner Verantwortung liegt.

Langwierige Verfahren zur Klärung der Ursachen und große wirtschaftliche Einbußen können für Biobauern und Biobäuerinnen damit verbunden sein, inklusive (befristete) Vermarktungssperren bis zur Klärung des Sachverhalts. Es kann zu einer Kürzung bzw. Streichung und Rückzahlungsforderung der Bio-Förderung kommen, das entsprechende Bio-Produkt bzw. die betroffene Biofläche wird für die Vermarktung gesperrt, die Biofläche muss mitunter neu umgestellt werden und nicht zuletzt kann es neben den finanziellen Einbußen zu einem Imageverlust für die Biolandwirtschaft und die Biolebensmittel kommen.

Schwarz-weiß Foto von Bäuerin Schmid Maria. Der Hintergrund ist rot. | © SONNENTOR

Wie kommt es zur Abdrift?

Foto von Sonnentor Gründer Hannes. | © SONNENTOR

Abdrift wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst: Von der Fahrgeschwindigkeit, der Spritzhöhe, der technischen Beschaffenheit der Düsen, der Temperatur, der Tropfengröße, der Wasseraufwandmenge, der Windgeschwindigkeit und natürlich auch von der Sachkundigkeit der/des Anwenderin/Anwenders.
Einerseits können z.B. zu hoher Spritzdruck, zu hohe Fahrgeschwindigkeiten, zu starker Wind bei der Ausbringung oder auch eine falsche Düsenwahl dafür sorgen, dass Pestizide auf Flächen gelangen, die nicht Ziel der Ausbringung sind. Andererseits können Pestizide durch Verdunstung in Kombination mit Wind über weite Strecken vertragen werden, bevor sie durch Abkühlung wieder kondensieren und absinken. Und nicht zuletzt können sich Wirkstoffe an feine Erdpartikel binden, vom Wind hochgewirbelt und über weite Strecken verfrachtet werden.

Um das Risiko zu minimieren gilt es bei der Ausbringung von Pestiziden unter anderem darauf zu achten,

  • dass die Windgeschwindigkeit weniger als fünf Meter pro Sekunde, die Lufttemperatur weniger als 25°C und die Luftfeuchtigkeit unter 30 % beträgt
  • dass abdriftmindernde Düsen und Techniken verwendet werden
  •  dass die Fahrgeschwindigkeit angepasst wird (in sensiblen Bereichen höchstens 5 km/h)
  • und dass der notwendige Abstand zum Nachbarfeld eingehalten wird.

Auch die Bewusstseinsbildung und entsprechende Schulungen der Anwender/innen von Pestiziden sind wichtiger Bestandteil, um das Risiko von Abdrift weiter zu minimieren. In den letzten Jahrzehnten wurde an der Verringerung der Abdrift bei der Applikation von Pestiziden gearbeitet – doch selbst mit der besten derzeit verfügbaren Spritztechnik lässt sich Abdrift nicht gänzlich vermeiden. 

Es zeigt sich, dass gerade der Wind eine schwer einschätzbare Größe ist – so kann es sein, dass der Pestizideinsatz regelkonform bei schwachem Wind begonnen wird, während der Anwendung aber die Windgeschwindigkeit stark zunimmt, sodass Pestizide über viele Kilometer vertragen werden.

Dies kann dazu führen, dass Parkanlagen, Spielplätze, wichtige Biodiversitätsflächen, die verschiedensten Nützlingen einen Rückzugsort bieten, Biofelder, aber auch Grund- und Oberflächengewässer von Pestizidabdrift betroffen sind. Einige Pestizide verteilen sich durch Wind oder Erosion weltweit und reichern sich dadurch in Nahrungsketten an und beeinflussen Umwelt und Menschen sehr weit entfernt vom Ausbringungsort.  Die Pestizidabdrift ist unter anderem dafür verantwortlich, dass Pestizide mittlerweile auch an den entlegensten Orten gefunden werden: z.B. im Eis der Alpengletscher und sogar im Fettgewebe der Pinguine in der Antarktis.

Schutz für betroffene Landwirte

Man kann es drehen und wenden wie man will: Einträge von außen liegen nicht - beziehungsweise nur äußerst begrenzt - im Einflussbereich der Biolandwirt/innen. Nachdem der Schutz und Ausgleichzahlungen für solche Ernteverunreinigungen nicht ausreichend geregelt sind, greift SONNENTOR auch bei dieser Problematik zur Selbsthilfe und gründet gemeinsam mit ihren Vertragsbauern den Verein zur Förderung einer enkeltauglichen Landwirtschaft in Österreich. „Bei Abdriftschäden zahlt normalerweise die Haftpflichtversicherung des Verursachers“, weiß Bio-Bauer Johann Aufreiter. „Wenn dieser jedoch grob fahrlässig gehandelt hat, steigt die Versicherung aus – dann kommt es zum Streitfall.“

Aufreiter ist Obmann dieses Vereins, der von SONNENTOR gegründet wurde, um Partner-Landwirte vor den Folgen von Abdrift zu schützen. "Über diesen Verein wird es einen Solidarfonds für betroffene Landwirte geben, in den Mitglieder einen kleinen Prozentsatz des Verrechnungswertes ihrer Produkte einzahlen“, erklärt Aufreiter. Dazu gibt es Beratung und Hilfe zur Selbsthilfe für die Mitglieder. Gleichzeitig wird der Verein auch allgemein über diese Problematik aufklären und versuchen für die Bio-Bauern zukünftig eine gesetzlich geregelte Lösung zu erreichen.

WEITERFÜHRENDE QUELLEN

Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit FiBL entstanden, einer der weltweit führenden unabhängigen Forschungseinrichtungen für biologische Landwirtschaft. Alle Quellen haben wir hier gesammelt:

Doblmair, Petra (2018): Abdrift und Thermik von Pflanzenschutzmitteln: https://ooe.lko.at/abdrift-und-thermik-von-pflanzenschutzmitteln+2500+2738032 (abgerufen am 03.06.2020)

Bioaktuell-Website (2018): Abdrift konventioneller Pflanzenschutzmittel der Biokontrollstelle melden. https://www.bioaktuell.ch/pflanzenbau/ackerbau/abdrift.html (abgerufen am 03.06.2020)

FiBL und Bio Suisse (Hrsg.) (2019): Rückstände – benennen, verstehen, vermeiden. Merkblatt.

FiBL (Hrsg.) (2015): Nachhaltigkeit und Qualität biologischer Lebensmittel. Dossier.

Global 2000 (2018): Vom Winde verweht. Gesundheitsrisiko Pestizidabdrift? Ein Fallbeispiel.

Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen (Hrsg.) (2018): Abdrift auf landwirtschaftlich genutzten Flächen erkennen und vermeiden.

Zaller, J. (2018): Unser täglich Gift. Pestizide die unterschätzte Gefahr. Deuticke im Paul Zsolnay Verlag