Immer mehr Konsument/innen möchten wissen wer ihre Lebensmittel wo und unter welchen Bedingungen erzeugt. Ein zunehmend wichtiges Kaufkriterium wird daher, dass Lebensmittel in der Region produziert werden. Schließlich vermittelt ein Lebensmittel, das "von hier" kommt, ein gutes Gefühl.
Viele Konsument/innen vertrauen dem, was aus der Region kommt, weil sie glauben es besser zu kennen und von der Qualität überzeugt sind. Regional bedeutet für sie meist eine kleinräumige Landwirtschaft, Lebensmittel, die in ländlicher Idylle von Menschen produziert werden, die sie unter Umständen persönlich kennen. Regional ist nah und Nähe erhöht – zumindest gefühlt - die Transparenz. Die räumliche Nähe vermittelt das Gefühl, die Herstellungsbedingungen zu kennen. So entsteht meist ohne reale Grundlage Vertrauen in die Qualität der Produktion. Dabei hat jeder Mensch wahrscheinlich seine ganz eigene Definition von Regionalität.
Während "Bio" durch die EU-Bio-Verordnung klar geregelt ist, ist der Begriff der Regionalität eher schwammig. Bedeutet "regional" die geografische Nähe eines Produkts zu den Konsument/innen? Wie viele Quadratkilometer darf eine Region umfassen? Wenn die Kühe in der Nachbarschaft mit Sojaschrot aus Südamerika gefüttert werden, ist die Milch dann noch regional? Ist für eine Wienerin der Käse aus dem Bregenzer Wald regionaler als der aus Ungarn? Und sind regionale Lebensmittel aus intensiver Landwirtschaft oder der heimische Salat aus dem beheizten Glashaus besser als Bio aus Italien?
Im Gegensatz zur klar geregelten und definierten Biolandwirtschaft gibt es derzeit noch kein einheitliches Verständnis und auch keine umfassenden Richtlinien, was unter „regional“ genau zu verstehen ist. Einheitliche Standards und Gütesiegel fehlen bisher. Regionalität ist per se kein Garant für höhere Qualität, so emotional positiv aufgeladen örtliche Nähe auch sein mag. Statt umfangreichen und kontrollierbaren Richtlinien (wie bei Bio) vertrauen Menschen bei „Regionalität“ vielfach auf Gefühle, Annahmen und romantische Vorstellungen.
Und diese Emotionen sorgen dafür, dass bei Konsument/innen die Präferenz für regionale Produkte oft ausgeprägter ist als für biologische Lebensmittel. Während auch der Bio-Markt stetig wächst, ist Regionalität für viele Konsument/innen ein noch stärkeres Kaufargument. In den letzten Jahren hat sich das Konzept der Regionalität – als Gegenpol zu Globalisierung und Urbanisierung – als Kaufmotiv bei Konsument/innen weiter etabliert.
In der Corona-Pandemie zeigen sich mitunter Schwächen einer globalisierten Versorgungskette – auch in Bezug auf die Lebensmittelproduktion; gleichzeitig wächst der Wunsch nach Authentizität, nach Handwerk und persönlichem Bezug zu Produkt und Produzent/in. Gerade in Krisenzeiten wirkt das als Kontrapunkt zur globalisierten Lebensmittelindustrie. Sich stärker in der eigenen Region zu verwurzeln – das vermittelt ein Gefühl von Halt und Orientierung. Zudem stellt eine autarke Versorgung mit Nahrungsmitteln eine wichtige Basis für die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln dar.
Es braucht ein transparentes Kennzeichnungssystem
Wenn ein Produkt aus der Region stammt, dann hat das viele Vorteile. Regionale Lebensmittel zeichnen sich durch ein hohes Maß an geschlossenen, regionalen Stoff- und Wirtschaftskreisläufen entlang der Wertschöpfungskette aus. Sie leisten damit insbesondere auf regionaler Ebene einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung und Resilienz. Es sprechen verschiedene Umweltaspekte dafür, wie zum Beispiel kurze Transportwege oder auch Saisonalität (das gilt allerdings nur, wenn das regionale Produkt, wie z.B. Gemüse, nicht aus dem mit nicht erneuerbaren Ressourcen beheizten Glashaus kommt). Nicht zuletzt hilft der Einkauf von regionalen Lebensmitteln dabei, Arbeitsplätze von Produktion über Verarbeitung und Logistik bis zum Marketing, zu erhalten, die Kulturlandschaft zu pflegen und der Landflucht entgegenzuwirken.
Allerdings kann von der Distanz allein, die zwischen dem Ort der Produktion und dem des Konsums der Lebensmittel liegt, weder auf die Qualität eines Nahrungsmittels noch auf (wirtschaftliche) Vorteile für eine Region geschlossen werden. Zur Definition von Qualitätskriterien müssen die Herkunft mit konkreten ökologischen und sozialen Herstellungs- oder Handelskriterien kombiniert werden. Dafür bräuchte es auch ein klares, nachvollziehbares und transparentes Kennzeichnungssystem.
Obwohl sich in den letzten Jahrzehnten die verbrauchte Menge an Lebensmitteln pro Person kaum verändert hat, haben die Lebensmitteltransporte stark zugenommen. Dies liegt einerseits am zunehmenden Verarbeitungsgrad vieler Produkte und an einer höheren Spezialisierung der einzelnen Betriebe, andererseits sorgt die ständige Verfügbarkeit unterschiedlichster Lebensmittel für ein hohes Verkehrsaufkommen rund um den Globus.
Die Klimabelastung durch Lebensmitteltransporte hängt von der zurückgelegten Strecke und dem verwendeten Transportmittel ab: Transporte mit dem Flugzeug belasten die Umwelt am stärksten. Auch LKWs stoßen deutlich mehr Treibhausgase aus als Bahn oder Schiff. In der Gesamtheit der Treibhausgasemissionen der Lebensmittelproduktion macht der Transportanteil aber einen relativ geringen Anteil von durchschnittlich 5–10 % aus.
Regionalität greift in Sachen Klimaschutz oft zu kurz
Je nach Produkt und Transportmittel ist die Klimabelastung durch Lebensmitteltransporte also unterschiedlich hoch. Doch auch wenn es empfehlenswert ist durch die persönliche Ernährungsweise für ein möglichst geringes Transportaufkommen zu sorgen, greift Regionalität in Sachen Klimaschutz oft zu kurz. So ist z. B. der saisonale Freilandanbau von Gemüse und Obst deutlich weniger klimabelastend als ihre Erzeugung in (mit nicht erneuerbaren Energieformen) beheizten Glashäusern oder Folientunneln.
Tomaten, die außerhalb der Saison in einem beheizten Gewächshaus in Österreich kultiviert werden, haben mitunter eine schlechtere CO2-Bilanz als Tomaten, die aus dem Ausland importiert wurden. Vorausgesetzt letztere wurden dort im Freiland kultiviert und nicht mit dem Flugzeug transportiert. Regionalität ist vor allem dann nachhaltig und umweltverträglich, wenn sie Hand in Hand mit Saisonalität und Bioqualität geht. Denn was die Klimabilanz betrifft sind heimische, saisonale Biotomaten aus dem Freiland klar im Vorteil.
Wenn wir Konsument/innen uns Gedanken über die Herkunft unserer Lebensmittel machen und wissen wollen unter welchen ökologischen und sozialen Bedingungen sie produziert wurden, dann ist das richtig, wichtig und wünschenswert.
Kurze Wege und regionale Wertschöpfung sprechen natürlich für regionale Lebensmittel. Doch Regionalität allein ist kein Nachhaltigkeitskonzept. Derzeit gewährleistet nur die biologische Landwirtschaft mit ihren klaren Richtlinien und umfassenden Konzepten eine nachhaltige Lebensmittelproduktion. Regionale Lebensmittelproduktion könnte sich vor allem gemeinsam mit der biologischen Landwirtschaft als starkes Duo positionieren. Als Entscheidungshilfe beim Lebensmitteleinkauf gilt daher Bio und saisonal – im besten Fall auch noch regional. Mit dieser Kombination steht vielfältigen, genussvollen, umwelt- und klimafreundlichen Geschmackserlebnissen nichts mehr im Wege.
weiterführende Literatur
Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit FiBL entstanden, einer der weltweit führenden unabhängigen Forschungseinrichtungen für biologische Landwirtschaft. Alle Quellen haben wir hier gesammelt:
Biorama (2020): Regional ist nicht gut genug. https://www.biorama.eu/regional-ist-nicht-genug/, abgerufen an 21.08.2020
Ernährungsrat Wien (2020): Regional ist nicht genug: Ökologische, gesunde und sozial gerechte Versorgung mit Lebensmitteln braucht System. Kommentar des Ernährungsrat Wien zum Regionalitätsgipfel. https://ernaehrungsrat-wien.at/2020/05/20/regional-ist-nicht-genug-oekologische-gesunde-und-sozial-gerechte-versorgung-mit-lebensmitteln-braucht-system/, abgerufen am 21.08.2020.
Kainrath, V. (2018): Der Preis der Regionalität bei Lebensmitteln. https://derstandard.at/2000087078589/Der-Preis-der-Regionalitaet-bei-Lebensmitteln, abgerufen am 24.08.2020
Markut, T. et al (2015): Regionale Bio-Lebensmittel - Bewertung der sozio-ökonomischen Vorteile für die Region aus Sicht der Nachhaltigkeit am Beispiel Frischmilch in Österreich, 13. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau.
Markut, T., Gusenbauer, I., Bartel-Kratochvil, R., Hörtenhuber, S., Lindenthal, T. (2015): Regionale Lebensmittel und deren Benefit für die Region am Beispiel Bio-Frischmilch in Österreich. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau März 2015 Eberswalde
Schönhart, M., Penker, M., Schmid, E. (2009): Sustainable Local Food Production and Consumption – Challenges for Implementation and Research. Outlook on Agriculture 38 (2): 175-182.
Theurl, M., C.; Hörtenhuber, S., Lindenthal, T. und Palme, W. (2017): Unheated soil-grown winter vegetables in Austria: Greenhouse gas emissions and
socio-economic factors of diffusion potential. In: Journal of Cleaner Production, Volume 151, Pages 134-144. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0959652617304511
Theurl, M.C., Haberl, H., Erb, K.-H., Lindenthal T. (2013): Contrasted greenhouse gas emissions from local versus long-range tomato production. In: Agronomy for Sustainable Development DOI 10.1007/s13593-013-0171-8. https://link.springer.com/article/10.1007/s13593-013-0171-8
Webb, J., Williams, A.G., Hope, E., Evans, D. und Moorhouse, E. (2013): Do foods imported into the UK have a greater environmental impact than the same foods produced within the UK? In: International Journal of Life Cycle Assessment 18, 1325–1343.